Chirurgische Methoden
Auf dieser Seite findest du eine knappe Übersicht über die derzeit üblichen Operationsverfahren zur Behandlung einer Radiusaplasie. Die Informationen beruhen auf unseren Recherchen, wissenschaftlichen Arbeiten, Auskünften von Chirurgen aus verschiedenen handchirurgischen Fachzentren (wir haben stets viele Fragen gestellt – und das solltest du auch), Informationen von anderen Eltern betroffener Kinder (wir sind euch sehr dankbar!) und weitere Online-Quellen. Bitte lies auch unseren Haftungsausschluss!
Ulnarisation
Eine ausführliche Erklärung (einschließlich medizinischer Illustrationen) des Verfahrens ist online verfügbar (auf Englisch).
Die Hauptunterschiede zum Radialisierungsverfahren sind:
- Vor dem Versetzen des Knochens ist keine Gewebeaufdehnung erforderlich.
- Die Schnitte werden auf der Palmarseite gesetzt (Seite der Handfläche), so dass die Chirurgen die Nerven während des Eingriffs sehen können.
- Der FCU (Flexor Carpus Ulnaris) wird zur „erhaltenden Kraft“ gemacht: Dieser Muskel, der sich auf der ulnaren Seite befindet wird auf die radiale Seite verlagert.
- Die Ulna wird verkürzt (typischerweise 2 bis 3 cm), damit sie in die erzeugte „Tasche“ zwischen den Karpalknochen passt, um in die richtige Richtung weiterzuwachsen, und gleichzeitig begradigt (durch einen trapezförmigen Zuschnitt des entfernten Knochensegments).
- Keine langfristige Schienung nach der Behandlung (feste Schienen bis zur Enfternung der K-Wires und danach noch Nachtschienen für einige Wochen)
Die wichtigsten Vorteile der Ulnarisation:
- Kein Wiederauftreten / Rezidiv
- Mehr Kraft in den Händen
- Deutlich beweglicheres „Handgelenk“
- Höhere Belastbarkeit des Handgelenks
- Kein externer Fixateur (Paley) mit entsprechendem Infektionsrisiko
- Zwei Operationen in 3 Monaten (statt 5 Operationen in 1,5 Jahren), weniger Anästhesien (mit entsprechenden Risiken)
- Beide Hände werden gleichzeitig operiert
- Keine jahrelange Schienung bis das Kind ausgewachsen ist
Bedeutende Unterschiede zwischen den Ulnarisationen von Dr. Paley und Dr. Standard:
Nach unseren Informationen kürzt Dr. Standard die Ulna nicht Standardmäßig, verwendet nach der OP jedoch einen externen Fixateur, um die Knochenposition zu fixieren (Info von 2021). Der Fixateur (die externe Fixierungsvorrichtung) am Arm wird also nach der OP benötigt – im Gegensatz zur Radialisierung, bei der der externe Fixateur verwendet wird, um eine Gewebeaufdehnung vor der Verlegung des Knochens durchzuführen.
Daumen
Bei Kindern mit TAR-Syndrom ist der Daumen in der Regel vorhanden, so dass wir keine Erfahrungen mit der Pollizisation machen können (ein Eingriff, bei dem aus dem Zeigefinger ein Daumen wird, der Zeigefinger wird dazu gekürzt und gedreht). Da das TAR-Syndrom jedoch häufig mit schwächeren Daumen einhergeht, können Dr. Paley und Dr. Shannon einen Transfer der FCR-Sehne auf den Daumenstrecker durchführen. Dieser Transfer ermöglicht eine stärkere Streckung des Daumens.
Radialisation
Das Verfahren der Radialisation wurde von Dieter Buck-Gramko vorgeschlagen, ist heute das wahrscheinlich am weitesten verbreitete Verfahreninund wird auch durch die in Hamburg tätigen Chirurgen angewendet. Der Eingriff wird in vielen Teilen Europas angeboten, wobei mancherorts auch noch Zentralisierungen durchgeführt werden.
Die Radialisierung besteht in der Regel aus zwei Schritten:
- Eine Distraktionsphase zur Aufdehnung des Gewebes bis die Hand relativ gerade ist (durch Fixateur für 2-4 Monate)
- Die eigentliche Radialisierung: Neupositionierung des Knochens und anschließende Fixierung durch interne Drähte für 4-6 Monate.
Die Distraktionsphase der Radialisierung
Die Distraktionsphase dauert in der Regel etwa drei Monate, abhängig vom Grad der radialen Abweichung („Abknickung“) der Hand. Sie beginnt mit einer Operation zur
Anbringung eines externen Fixateurs. Danach trägt das Kind einen Arm im Fixateur und die Eltern müssen regelmäßig einige Schrauben einstellen, um das Gewebe immer weiter zu dehnen. Diese Einstellung erfolgt üblicherweise viermal täglich (um eine bestimmte Anzahl von Millimetern pro Tag zu erreichen). Wenn sich die Hand nach einigen Wochen in einer ausreichend geraden Position angekommen ist, bleibt der Fixateur externe noch einige Wochen lang unverändert, um die Position zu halten. Danach ist die Hand bereit für den Eingriff.
Die Radialisation
Nach der Distraktionsphase ist die Hand bereit für die Operation, bei der die Ulna (Elle) in eine zentralere Position gebracht wird („zentrale Position“ bedeutet nicht Übereinstimmung mit dem Zentralisierungsverfahren!).
Nach Entfernung des Fixateur externe wird die Ulna im Bereich Handmitte/zweiter Mittelhandknochen reponiert. Die Ulna wird dann intern mit K-Wires (Drähten) in Position gehalten. Der Arm wird in festen Schienen fixiert, um die internen Drähte zu schützen (damit diese nicht brechen, falls die Kinder auf die Hände fallen). Der gesamte Prozess umfasst zwei bis drei Operationen zur Korrektur eines Arms. Die internen Drähte werden nach 3-6 Monaten entfernt. Wenn die Chirurgen die Drähte auf der ersten Seite entfernen, beginnen sie in der Regel während derselben Operation mit der zweiten Hand und setzen den Fixateur ein. Der gesamte Prozess erfordert mindestens fünf Operationen (für zwei Hände) und bedeutet für das Kind über ein Jahr kontinuierlicher Eingriffe.
Ein Überblick über den Ablauf eines typischen Radialisationsprozesses ohne Komplikationen:
- Erste Operation: rechte Hand – Anlegen des Fixateur externe.
- Zweite Operation: rechte Hand – Entfernung des Fixateur externe, Durchführung der Radialisation und Fixierung mit internen Drähten, der Arm wird für mehrere Monate in einer gipsartige Schiene fixiert.
- Dritte Operation: rechte Hand – Entfernung der internen Drähte; linke Hand – Anlegen des externen Fixateurs.
- Vierte Operation: linke Hand – Durchführung der Radialisation und Fixierung mit internen Drähten, der Arm wird für mehrere Monate in einer gipsartige Schiene fixiert.
- Fünfte Operation: linke Hand – Entfernung der internen Drähte.
Zentralisation
Einige Kliniken bieten weiterhin Zentralisationen an – den Vorgänger der Radialisation. Die Zentralisation hat viele Nachteile, insbesondere eine hohe Rückfallquote. Wenn eine Zentralisation deine einzige verfügbare Option ist, melde dich bei uns und wir versuchen dich in Kontakt mit Eltern zu bringen, die mit dem Verfahren vertraut sind.
Quellen und Veröffentlichungen
A comparison of different surgical procedures on Dr. Paley's website.
An overview of the different procedures on the website of Dr. Standard with an explanation of ulnarization by Dr. Standard (an older version of ulnarization where an external fixator is used to hold the position after moving the bone to the right position).
Paley, Dror. (2020). Shortening: The orthopedic theory of relativity. Journal of Limb Lengthening and Reconstruction. 6. 1. 10.4103/2455-3719.288573.
Paley, Dror. (2018). Limb reconstruction in the early 21 st century: The indications are broader and wider. Journal of Limb Lengthening & Reconstruction. 4. 65. 10.4103/2455-3719.253397.
Paley, D., Robbins, C.A. (2015). Case 91: Ulnarization as Treatment for Radial Clubhand (RCH). In: Rozbruch, S., Hamdy, R. (eds) Limb Lengthening and Reconstruction Surgery Case Atlas. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-319-18020-5_250
Buck-Gramcko D. Radialization as a new treatment for radial club hand. J Hand Surg Am. 1985 Nov;10(6 Pt 2):964-8. doi: 10.1016/s0363-5023(85)80013-7. PMID: 4078287.
Paley, Dror. (2017). The Paley ulnarization of the carpus with ulnar shortening osteotomy for treatment of radial club hand. SICOT-J. 3. 5. 10.1051/sicotj/2016040.
Recurrent deformity from centralization and radialization led to the development in 1999 of a new technique by the author called ulnarization. This method is performed through a volar approach in a vascular and physeal sparing fashion. It biomechanically balances the muscle forces on the wrist by dorsally transferring the flexor carpi ulnaris (FCU) from a deforming to a corrective force. The previous problems of a prominent bump from the ulnar head and ulnar deviation instability were solved by acutely shortening the diaphysis and by temporarily fixing the station of the carpus to the ulnar head at the level of the scaphoid. This is the first report of this modified Paley ulnarization method, which the author considers a significant improvement over his original procedure.
Deszczyński, Jarosław & Albrewczyński, Tomasz & Shannon, Claire & Paley, Dror. (2021). Radial Club Hand Treated by Paley Ulnarization Generation 3: Is This the New Centralization?. Children. 8. 562. 10.3390/children8070562.
(1) Background: Patients treated with the two previous generations of ulnarization developed a bump related to the ulnar head becoming prominent on the radial side of the hand. To finally remedy this problem, a third generation of ulnarization was developed to keep the ulnar head contained. While still ulnar to the wrist center, the center of the wrist remains ulnar to the ulnar head, with the ulnar head articulating directly with the trapezoid and when present the trapezium. (2) Methods: Between 2019 and 2021, 22 radial club hands in 17 patients were surgically corrected with this modified version of ulnarization. (3) Results: In all 17 patients, the mean HFA (hand–forearm-angle) correction was 68.5° (range 12.2°–88.7°). The mean ulna growth was 1.3 cm per year (range 0.2–2 cm). There were no recurrent radial deviation deformities more than 15° of the HFA. (4) Conclusions: This new version of ulnarization may solve the problem of the ulna growing past the carpus creating a prominent ulnar bump. The results presented are preliminary but promising. Longer-term follow-up is needed to fully evaluate this procedure.